Dreigestirn: Jünger als gedacht
Eine der Innovationen der Festkomitee-Gründer war es, einen „Narrenherrscher“ zu küren, der in den ersten Jahren noch „Held“ hieß. Erst die nationalistische Begeisterung nach dem gewonnenen Krieg gegen Frankreich 1870/1871 führt zur Umbenennung: August Metz war 1872 der erste „Prinz Karneval“. Viel älter sind Bauer und Jungfrau als Sinnbilder der Stadt. Der Bauer wird 1422 erstmals erwähnt und steht für die Wehrhaftigkeit der Stadt. Die 1570 zum ersten Mal erwähnte Jungfrau symbolisiert als Verkörperung der Stadtgründerin Agrippina die Unberührbarkeit der Stadt. Im Zug tauchen beide erstmals 1825 als solche auf. Gemeinsam in Erscheinung treten alle drei erst 1870, offiziell als „Dreigestirn“ werden sie sogar erst seit 1938 bezeichnet.
Die kürzest-mögliche Session gab es für den organisierten Karneval noch nie!
Der Termin von Aschermittwoch und Rosenmontag richtet sich traditionell nach dem Osterfest (exakt 48 Tage vor Ostersonntag). Damit handelt es sich um einen beweglichen Feiertag, der rechnerisch zwischen Anfang Februar und Anfang März liegen kann. Der früheste Termin, der überhaupt möglich wäre, ist der 2. Februar – auf den fiel Rosenmontag zuletzt 1818, also noch vor der Etablierung des organisierten Karnevals. Allerdings gab es zwei Jahre (1845 und 1913), an denen der Rosenmontagszug bereits am 3. Februar durch die Stadt zog. Der späteste Termin für Rosenmontag ist der 8. März, an dem der Zoch zuletzt 1943 stattfand.
Doppelt hält besser?
Die „Karnevalistische Zellteilung“ hat in Köln eine lange Tradition, und so manche namhafte KG entstand, weil bei der jeweiligen Muttergesellschaft „Knies en d’r Bud“ war. Drei Mal führte dies aber dazu, daß in einem Jahr gleich zwei große Züge durch die Stadt zogen. 1844 und 1845 hatten sich die „Allgemeine KG“ um Franz Raveaux und die „Große KG“ unter Peter Hubert Leven entzweit und beanspruchten die karnevalistische Vorreiterrolle in der Stadt für sich, sodass es zwei Rosenmontagzüge gab. 1883 zogen nach der Abspaltung der „Großen Kölner“ von der „Großen KG“ je ein Zug am Rosenmontag (Große KG) und am Karnevalsdienstag (Große Kölner).
Kein Jubiläum für den „Zoch“
Wenn auch im Jahr 2023 das 200jährige Bestehen von zentralen karnevalistischen Institutionen wie etwa Festkomitee und Rosenmontagszug gefeiert wird, bedeutet das nicht auch den 200. Rosenmontagszug. Immer wieder gab es Gründe, die den „Zoch“ verhinderten. Zuletzt waren es die Corona-Pandemie (2021) und der russische Überfall auf die Ukraine (2022). Im Jubiläumsjahr wird deshalb der 167. „offizielle“ Rosenmontagszug durch die Straßen der Stadt ziehen.
Der kürzeste Zoch aller Zeiten
Es gab längere und kürzere Rosenmontagszüge, doch Corona erzwang die kürzeste Variante aller Zeiten: Da im Lockdown an öffentliche Veranstaltungen nicht zu denken waren, organisierte das Festkomitee gemeinsam mit dem Hänneschen-Theater und dem WDR einen liebevoll inszenierten Zug im Miniaturformat. Er hatte 177 Puppen als Teilnehmer, die sich auf zehn Fußgruppen, drei Tanzgruppen und eine Musikgruppe verteilten. Zwölf Reiter teilten sich fünf Pferde (die teils mehrfach im Einsatz waren). Zwei Wagenbegleiter und zwei Polizisten sorgten für Sicherheit und die „Kehrforce One“ der AWB für Sauberkeit. Zehn Prunkwagen wurden von den zwei (ebenfalls mehrfach genutzten) Traktoren über die 32 Meter lange Zugstrecke gezogen, insgesamt erreichte der „Zoch“ eine Länge von zirka 70 Metern. Und na klar: Es gab auch Kamelle! Drei Büggel (Beutel) durften sich die Handvoll Zuschauer aus Kameraleuten und WDR-Mitarbeitern teilen, die gemäß Corona-Auflagen zugelassen waren.
Präsidialer Stammbaum
Mit Christoph Kuckelkorn ist seit dem Jahr 2017 der 34. Festkomitee-Präsident im Amt. Dass es nur einen einzigen Amtsträger gibt, ist dabei keine Selbstverständlichkeit, denn immer wieder gab es Phasen, in denen sich zwei Präsidenten entweder abwechselten oder sich sogar das Amt streitig machte. Zum ersten Mal rivalisierten 1844 bis 1848 zwei Gesellschaften um die Vorreiterrolle, zwischen 1888 und 1908 teilten sich dann die Präsidenten zweier Gesellschaften jeweils die Amtsgeschäfte. Zwischen 1909 und 1934 wechselten sich zwei Gesellschaften im jährlichen Turnus an der Komitee-Spitze ab. Das Amt des Zugleiters gibt es seit 1949. Holger Kirsch füllt es als zehnter Amtsinhaber seit 2019 aus.
Blackfacing im „Zoch“?
Karneval ist immer auch Kind seiner Zeit – und so gibt es zeittypische Ereignisse, auf die heute gewiß kein Karnevalist mehr stolz ist. So etwa 1885, als das Zugmotto „Held Carneval als Kolonisator“ gewählt wurde. Die Teilnehmer zogen fast ausschließlich schwarz geschminkt durch die Stadt und stellten die eben „kolonisierten“ Völker dar. Hintergrund ist die erste Kolonie des Kaiserreichs, zu der im April 1884 Deutsch-Südwest-Afrika durch einen Schutzbrief Bismarcks wird.
Die Geburt der „Mötz“
Die „Fastelovendsmötz“, die dem Kundigen schon von weitem die Zugehörigkeit seines Gegenübers zu einer bestimmten Karnevalsgesellschaft zeigt, ist fast so alt wie der organisierte Karneval: Am 14. Januar 1827 macht der preußische Generalmajor Baron von Czettritz und Neuhauß den umjubelten Vorschlag, bei den Versammlungen der Jecken bunte Gesellschaftsmütze zu tragen nach dem Motto „Gleiche Brüder, gleiche Kappen“. Die Mötz war auch ein Ausdruck eines schwelenden Konflikts zwischen den „Neuen“ und den „Alten“ im Komitee und sollte durch ein einheitliches Erkennungsmerkmal – ganz gemäß dem preußischen Selbstverständnis – auch uniformierte Einheitlichkeit, Ruhe und Ordnung herstellen.
Medienereignis Karneval
Karneval begeistert ein Millionenpublikum auch in den elektronischen Medien – und das hat eine lange Tradition. Bereits am 28. Januar 1928 übertrug der Kölner Rundfunksender die erste Karnevalssitzung im Radio. Fritz Maaß (Präsident der Großen Kölner) präsentierte sie am Mikrofon. Den ersten TV-Bericht vom Kölner Rosenmontagszug gab es 1953, der damit deutschlandweit auf den noch nicht sehr weit verbreiteten TV-Geräten zu sehen war. 1955 übertrug das Fernsehen bereits die Prinzenproklamation aus dem Williams-Bau – die bis dahin unbekannten „Mainzer Hofsänger“ wurden dabei erstmals einer breiten Öffentlichkeit vorgestellt und avancierten anschließend zum langjährigen Aushängeschild des Mainzer Karnevals. 1958 wurde dann erstmals der Rosenmontagszug in voller Länge im TV übertragen, nachdem es im Jahr zuvor bereits eine umfassende Berichterstattung mit sechs Kamerapositionen gegeben hatte.
Der „andere Zoch“ am Karnevalssonntag
Der Karneval hat auch in den 86 Stadtteilen und über 300 Schulen der Stadt einen festen Platz. Dafür stehen nicht zuletzt die „Schull- un Veedelszöch“, die am Karnevalssonntag über die gleiche Strecke ziehen wie der Rosenmontagszug am folgenden Tag. Seit 1933 gibt es die Veedelszöch, die von einem Bürgerausschuss zur Förderung des ursprünglichen Karnevals in den Stadtteilen geschaffen wurden. 1951 riefen dann die Lyskircher Junge gemeinsam mit interessierten Lehrern, dem Bürgerausschuß und dem Amt für Kölnisches Brauchtum den ersten gemeinsamen Umzug der Kölner Schulen – den „Schullzoch“ ins Leben. Seit 1952 sind beide Züge vereint, und die Schull- und Veedelszöch feierten damit 2022, im Jahr vor dem FK-Jubiläum, ihren 70. Geburtstag (allerdings gab es wegen der Corona-Pandemie keinen Umzug).
Der lange Weg zur Emanzipation
Karneval war lange Zeit reine Männersache, und alle karnevalistischen Rollen wurden entsprechend von männlichen Darstellern übernommen. Erst die homophoben NS-Herrscher sorgten dafür, daß es ab 1935 keine männlichen Funkemariechen mehr gibt – und daran wurde auch nach dem Krieg festgehalten. 1938 und 1939 war der Widerstand der Karnevalisten dann endgültig gebrochen, und es gab jeweils weibliche Jungfrauen im Dreigestirn. Nach dem Krieg wurde – auch als Bruch mit der NS-Ideologie – wieder an die alte Tradition angeknüpft: Die Jungfrau wurde wieder durch einen Mann verkörpert. Heute kaum zu glauben: Erst seit 1979 dürfen Frauen offiziell im Rosenmontag mitgehen. Zuvor hatte es immer wieder Diskussionen nach dem Zug gegeben, daß „zu viele Frauen” im Zug dabei waren. Noch 1970 argumentierte etwa FK-Präsident Ferdi Leisten, daß das Mitfahren wegen der herumfliegenden Wurfgeschosse nicht ungefährlich sei und es den Damen auch an Trinkfestigkeit mangele. Bis es auch im Festkomitee-Vorstand weibliche Mitglieder gab, dauerte es übrigens bis 1990. Heute sind die Karnevalistinnen in allen Bereichen und Funktionen des Karnevals Alltag (außer natürlich in den Gesellschaften, die nur dem einen oder dem anderen Geschlecht offenstehen), wenn auch immer noch unterrepräsentiert. Dass die Jungfrau im Dreigestirn wieder durch einen Mann dargestellt wird, ist übrigens nicht in Stein gemeißelt: Die Satzung des Festkomitees sieht lediglich vor, daß das Dreigestirn aus einer der ordentlichen FK-Gesellschaften stammen muß. Spätestens, seit es Damengesellschaften gibt, ist es also nur eine Frage der Zeit, bis einzelne oder auch alle drei Ornate von Frauen getragen werden.
Alaaf und Schalom
Dass im Karneval die Stadtgesellschaft in ihrer ganzen Vielfalt zu einem friedlichen Fest zusammenkommt, das ist heute gelebte Praxis im organisierten Karneval und äußert sich daran, daß viele gesellschaftliche Gruppen „ihre“ Karnevalsgesellschaften pflegen. Dass es auch eine jüdische KG gibt, hat in Köln eine rund 100jährige Tradition, denn der erste jüdische Karnevalsverein – der „KKK – Kleiner Kölner Klub“ wurde 1922 gegründet. Um Präsident Max Salomon fanden sich damals insbesondere jüdische Textilkaufleute im Klub zusammen. Dass es wieder einen jüdischen Verein im Kölschen Fastelovend gibt, dauerte dann fast 100 lange Jahre: Seit 2019 gibt es die „Kölsche Kippa Köpp“, die damit die erste Karnevalsgesellschaft seit dem Ende des zweiten Weltkriegs sind, die einen jüdischen Hintergrund hat.
Quelle und Grafik: Festkomitee Kölner Karneval von 1823 e.V.
Bitte beachten Sie unsere Datenschutzbestimmungen nach den Regeln der EU-DSGVO und stimmen Sie diesen bitte zu. Hier finden Sie unsere Datenschutzbestimmungen!