Leiter des Kölner Rosenmontagszugs Holger Kirsch präsentiert Zeichnungen der Persiflage-Wagen
Interview mit dem Leiter des Kölner Rosenmontagszugs Holger Kirsch
„Nur zesamme sin mer Fastelovend“ – das Motto der diesjährigen Session trifft den Nagel auf den Kopf. Noch nie in der Geschichte des Straßenkarnevals war Zusammenhalt so wichtig – und gleichzeitig auf so wenigen Ebenen möglich. Aber den Karneval deswegen ausfallen lassen? Nicht nur undenkbar, sondern für den Kölner Zugleiter Holger Kirsch geradezu unmöglich. Wir von der Initiative „Karneval für alle“ haben ihn zum virtuellen Interview getroffen und über den Mini-Zoch, Inklusion im Karneval und den Miniatur-Inklusionswagen gesprochen, der dank der Unterstützung des Landschaftsverbandes Rheinland (LVR) und des Kölner Dreigestirns 2020 dieses Jahr mit dem Zoch rollt.
Lieber Herr Kirsch, auf dem Weg zum Karneval standen dieses Jahr viele Hürden. Trotzdem ist es gelungen, ein abwechslungsreiches jeckes Ersatzprogramm auf die Beine zu stellen. Warum war es für das Kölner Festkomitee unvorstellbar, den Zug ausfallen zu lassen?
Der Kölner Rosenmontagszug ist nach dem Kölner Dom das Aushängeschild unserer Stadt. Die Persiflage ist das Instrument des Karnevalisten, der Obrigkeit den Spiegel vorzuhalten. Dieses Instrument wollten wir uns auch in Zeiten einer Pandemie unter keinen Umständen nehmen lassen.
Darüber hinaus richten wir den Zug alljährlich für drei Zielgruppen aus: unsere Mitglieder, die im Zug mitlaufen, den Zuschauer am Straßenrand und den Fernsehzuschauer. Die Teilnahme am Zug ist für unsere Mitglieder der jährliche Lohn für ihre ehrenamtliche Arbeit in ihrem Verein. Diese Entlohnung kann ich ihnen dieses Jahr leider nicht bieten. Aber symbolisch konnte ich wenigstens die Gesellschaften in Form ihrer Logos auf dem Zugleiterwagen im diesjährigen Puppenspielzoch mitnehmen. Den Traditionskorps konnte ich, da es ihre Uniformen größtenteils bereits in der Requisite des Hänneschen-Theaters gab, sogar die Möglichkeit geben, sich mit einem Festwagen zu präsentieren.
Der Pandemie geschuldet, verleibt also die Zielgruppe des Fernsehzuschauers. Es blieb mein Wunsch, allen Jecken an Rosenmontag ein Geschenk zu machen. Wenn man sich an Kriegszeiten erinnert, so hat man seinerzeit Unterhalter an die Front geschickt, um für kostbare Ablenkung zu sorgen. Ablenkung und Freude ist gerade in solch tristen Zeiten wie jetzt ganz besonders wichtig. Der Puppenspielzug in Kooperation mit dem Hänneschen-Theater ist genau dieses Geschenk geworden. Ein Gesamtkunstwerk und Zeitzeugnis mit roter Schleife drum.
Welche Bedeutung hat Inklusion für den Kölner Karneval und den Rosenmontagszug?
Ich glaube, das diesjährige Sessionsmotto kann es kaum besser auf den Punkt bringen. „Nur zesamme sin mer Fastelovend“. Karneval steht für Gemeinschaft und Zusammenhalt. Bei unserem Fest wird niemand ausgegrenzt. Es ist die bunte Vielfalt aller Menschen, die die Besonderheit dieses Festes ausmacht. Ich selbst hatte als Prinz Karneval in der Session 2015 einige meiner schönsten Erlebnisse zum Beispiel bei der Blindensitzung im Sartory oder bei der SBK-Werkstättensitzung in der Mülheimer Stadthalle.
Was unterscheidet den Inklusionswagen von anderen Festwagen?
Der Inklusionswagen wird weitestgehend barrierefrei errichtet. In der Vergangenheit war es uns nur unter absolut erschwerten Bedingungen möglich zum Beispiel Menschen im Rollstuhl mitzunehmen. Hier waren wir oftmals auf die Hilfe der Berufsfeuerwehr Köln angewiesen, die mit ihren Einsatzfahrzeugen die Menschen im Rollstuhl auf den Wagen gehoben hat. Unser neugebauter Inklusionswagen wird eine Hubbühne haben, es wird eine ausreichend groß dimensionierte Toilette an Bord geben. Die Brüstungen und Nischen für Rollstuhlfahrer werden derart gestaltet sein, daß man auch sitzend sehr gut sehen kann. Auch kann es einen Platz für einen Blindenreporter auf dem Wagen geben. Zusätzlich wird es taktile Leitelemente geben. Es war mir besonders wichtig, im Vorfeld eine Expertise vom LVR einzuholen. Das Dreigestirn der Session 2020 hat uns die einmalige Möglichkeit gegeben, mit ihrer gigantischen Spendensumme einen solchen Wagen zu bauen. Also galt es verantwortungsvoll damit umzugehen, damit es am Ende auch der gewünschte Erfolg wird.
(Anm. d. Red.: Nachdem der große Inklusionswagen ursprünglich in dieser Session Premiere feiern sollte, wird er nun voraussichtlich – je nach Pandemielage – nächstes Jahr zum ersten Mal mit dem Zug rollen.)
Wird es auf dem Mini-Inklusionswagen ebenfalls Puppen, beispielsweise im Rollstuhl, geben?
Ja, auch auf dem Mini-Inklusionswagen wird es Puppen geben. Zwei, um genau zu sein. Beide Puppen sind absolute Sympathieträger aus dem Sortiment des Hänneschen-Theaters. Der Speimanes und der blinde Maulwurf.
Wie kann man sich um einen Platz auf dem Inklusionswagen bewerben?
In den nächsten zehn Jahren wird abwechselnd eines der neun Traditionskorps und das Festkomitee die Patenschaft über den Wagen übernehmen. Damit ist sogar das Wurfmaterial gesichert. Wir werden uns mit den Paten abstimmen, wie das Bewerbungsverfahren abgewickelt wird. Stand heute gehe ich davon aus, dass mein Team der Zugleitung das Bewerbungsverfahren koordiniert und abwickelt.
Lieber Herr Kirsch, vielen Dank, daß Sie sich in der Hochzeit des Karnevals Zeit für unsere Fragen genommen haben. Ein dreifaches Kölle Alaaf!
Quelle (Text): LVR-Fachbereich Kommunikation; Foto: Festkomitee Kölner Karneval von 1823 e.V./Costa Belibasakis
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