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Die Roten Funken: Keimzelle des organisierten Karnevals

Die Eigenart der Stadtsoldaten lebt bei den Roten Funken weiter

Als beim ersten Rosenmontagszug auf dem Kölner Neumarkt für den Karnevalsprinzen ein (schein-)militärischer Begleittrupp gesucht wurde, erinnerte man sich an die ehemaligen Kölner Stadtsoldaten. Mit ihrem unmilitärischen Selbstverständnis und ihrem ebenso lockeren und zuweilen respektlosen Umgang mit der Obrigkeit schienen sie perfekt zum Kölner Karneval zu passen. Das war im Jahr 1823, der Geburtsstunde der Roten Funken, die in diesen Wochen und Monaten als ältestes und größtes Kölner Traditionskorps ihren 200. Geburtstag feiern.

Der Rosenmontagszug im Jahr 1823 war der Auftakt des organisierten Kölner Karnevals. Die Karnevalszeit in Köln war ein so ausufernd anarchisches Fest, dasß den preußischen Herrschern diese Art rheinischer Ausgelassenheit in ihrer Provinz ein Dorn im Auge war. Preußische Ordnungsliebe und rheinische Freude an subversivem Frohsinn paßten nicht zusammen. Um ein Verbot des Karnevals zu verhindern, gründete sich ein „festordnendes Comités“ und mit ihm das erste organsierte Korps, die Roten Funken. Der Umzug auf dem Neumarkt war dann – gemessen an heutigen Dimensionen – so klein, bescheiden und harmlos, daß sich die Obrigkeit zufrieden zeigte. Wichtig für die Kölner: Der Karneval war gerettet. Da nahm man auch in Kauf, daß er von nun an organisiert war.

Karneval hat sich immer mit den Obrigkeiten angelegt. Er war das Fest des Volkes und der Straße. Dazu gehörte auch die Verballhornung des Militärischen als Sinnbild von politischer Macht. Es ist kein Zufall, daß die Roten Funken als ehemalige Stadtsoldaten dieses Amt übernahmen. Ihr Ruf war denkbar schlecht. Als unterbezahlte Truppe waren sie auf Nebenerwerbsbeschäftigungen angewiesen – zum Beispiel Kinder hüten oder Strümpfe stricken. Entsprechend schlecht war die Moral. Quellen belegen, dass man mit ihnen militärisch nicht wirklich punkten konnte. Es ist überliefert, daß sie, als die napoleonischen Truppen anrückten, den Franzosen von der Stadtmauer herunter zuriefen: „Hüürt op ze scheeße, süht ehr dann nit, dat he Minsche stonn?“ (Nicht schießen, seht ihr denn nicht, dass hier Menschen stehen.)

Sinnbild für kölsche Art

Diese Mischung aus pragmatischem Pazifismus, militärischem Unvermögen und Distanz zum eigenen Auftrag prädestinierte sie für den Dienst im Karneval. Vieles aus dieser frühen Funken-DNA hat sich bis heute erhalten. Damit wurden die Roten Funken zu einem Sinnbild für das, was angeblich den Kölner ausmacht: immer einen lockeren Spruch auf den Lippen zu haben, Schweres leicht zu nehmen und zur eigenen Unvollkommenheit zu stehen, gleichzeitig aber die eigene Großartigkeit zu preisen… Eine Mischung, die sie nicht nur bei Kölnern beliebt macht. Rote Funken sind Kultur- und Sympathieträger. Kein Wunder, daß Politiker und andere Stadtgrößen sich gerne mit und bei den Funken zeigen.

Heute sind die Roten Funken mit rund 550 aktiven Mitgliedern das größte Traditionskorps der Stadt. Dabei interpretieren sie Brauchtumspflege aus einem über zwei Jahrhunderte gewachsenen Selbstverständnis. Als wichtiger Teil der Stadtgesellschaft engagieren sie sich. Zum Beispiel wenn es um Obdachlose geht, für die man mit der „Kötterbüchs“ Geld sammelt. Oder wenn nach der Flutkatastrophe an der Ahr die Betroffenen mit Geld und Muskelkraft Hilfe bekommen. Gemäß der eigenen Devise: „Mer losse keine im Ränstonn“. (Wir lassen keinen im Regen stehen.)

Die karnevalistische Tradition zu pflegen – und gegen Kommerzialisierung und Ballermann-Tendenzen zu schützen – das gehört immer noch zu den Kernaufgaben. Karnevalssitzungen in den großen Sälen der Stadt sind ein Teil davon. Aber auch die Bemühung, den Karneval ursprünglich und volksnah zu gestalten. Einer der Höhepunkte des Kölner Straßenkarnevals ist das „Funken-Biwak“ auf dem Kölner Neumarkt, dort wo alles anfing. Bei freiem Eintritt und unter freiem Himmel feiern die Funken mit allen Kölnern einen ganzen Tag lang den Karneval mit einem bunten Programm und Aufzügen der anderen Traditionsgesellschaften. Nach Meinung von Kennern eine der ursprünglichsten Veranstaltungen im karnevalistischen Sessionsgeschehen.

Knubbel als Organisationsform

Weil es schwierig ist, rund550 Mitglieder zusammenzubringen, unterteilen sich die Roten Funken in vier Gruppen, „Knubbel“ genannt. Hier trifft man sich zu Knubbelabenden, pflegt die Gemeinschaft und verfolgt eigene Aktivitäten. So zum Beispiel ein Engagement für das Obdachlosenheim in der Kölner Annostraße.

Und wenn es nötig ist, werden alle Kräfte gebündelt. Die Sanierung und der Ausbau des Vereinsheims, der Ulrepforte („Ülepooz“), war nicht nur organisatorisch, sondern auch finanziell ein Kraftakt. Dem alten Stadttor drohte das Aus als Funken-Treffpunkt. Fehlende Fluchtwege, marode Infrastruktur und zu wenig Platz machten Um- und Ausbaumaßnahmen erforderlich. Die Hälfte der Baukosten in Höhe von rund € 2,5 Millionen brachten die Roten Funken aus „gekötteten“ Eigenmitteln ein, den Rest besorgten sie sich auf dem langen Weg durch die Instanzen durch Fördermittel. Zum Jubiläum sind ein hochmoderner Anbau und die nach Denkmalschutzvorgaben restaurierte Stadtfestung fertig geworden. Funkentypisch: Das Haus soll der Stadtgesellschaft für Treffen und Feiern offenstehen. Der für den Umbau verantwortliche Burgvogt Ulrich Schlüter, im bürgerlichen Leben Architekt: „Wir werden uns hier nicht abschotten, unsere gute Stube steht allen Kölnern offen.“

Für die Roten Funken ist der runde Geburtstag nicht nur Anlaß für einen zufriedenen Blick zurück, sondern auch eine kritische Selbstbefragung. Wie kann Brauchtumspflege in der Zukunft aussehen? Vor welchen Herausforderungen steht sie? Wie kann man Traditionspflege für junge Menschen attraktiv machen? All diese Themen wollen die Roten Funken aktiv mitgestalten. Präsident Heinz-Günther Hunold: „Brauchtum ist ein lebendiger Teil unserer Stadtkultur, den werden wir auch in Zukunft pflegen und weiterentwickeln.“

https://200johr.de/hier-geht-es-zum-programm/

Quelle und Grafik: Kölsche Funke rut-wieß vun 1823 e.V.