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200 Jahre Kölner Karneval – Chronik: Zwei Jahrhunderte organisierter Karneval

1822 Unter der Führung von Heinrich von Wittgenstein versammelt sich eine Gruppe bildungsbürgerlicher Kölner in der kleinen Weinstube „Im Häuschen“, um das alte Volksfest Karneval zu erneuern und wiederzubeleben. Sie bilden die Keimzelle des späteren Comités.
1823 Unter Heinrich von Wittgenstein erfolgt die offizielle Gründung des „Festordnenden Comités“. Mit dem ersten Rosenmontagszug (Motto: „Thronbesteigung des Helden Carneval”) treten auch die Roten Funken und die Hellige Knäächte un Mägde als Karnevalsgruppen erstmals auf. Erster „Held Carneval“ ist Kölnisch-Wasser-Fabrikant Emanuel Ciolina Zanoli.
1825 Erstmals sind Bauer und Jungfrau im Zug vertreten. Beide sind alte Stadtsymbole, die bereits im 15. beziehungsweise 16. Jahrhundert erstmals erwähnt werden.
1830 Der Zug wird zum ersten Mal wegen politischer Kritik verboten und fällt aus, wird aber nach öffentlichen Protesten für das Folgejahr wieder erlaubt.
1836 Peter Hubert Leven, der als Erfinder der „Bütt gilt“, übernimmt die Aufgabe des ausscheidenden von Heinrich von Wittgenstein. Ein Jahr später stirbt Emanuel Ciolina Zanoli, der bis dato stets den Helden Carneval verkörpert hatte, wenn es gefragt war.
1842 Uneinigkeiten im Comité lassen den Zug ausfallen. Es kommt zur Spaltung und zur Gründung einer zweiten, bürgerlichen Karnevalsgesellschaft (die „Eisenritter“ unter Friedrich Borchardt), während die bisherige Gesellschaft unter Peter Leven nun als „Hanswurstliches Parlament“ weitermacht.
1846 Nachdem die Uneinigkeit bis zur Organisation zwei paralleler Züge eskalierte (1844 und 1845), wird erstmals wieder ein einziger Zug unter Führung der „Allgemeinen KG“ veranstaltet.
1851 Die immer schärferen preußischen Vereins- und Versammlungsgesetze führen dazu, daß die Verantwortlichen den Karneval vorsichtshalber ausfallen lassen; im folgenden Jahr fällt der Zug fällt der preußischen Zensur zum Opfer.
1857 Nachdem auch die Züge 1856 und 1857 wegen Finanzierungsproblemen ausfielen, finden sich alte Karnevalisten und junge Reformer in einer neuen KG zusammen, die im Folgejahr wieder einen Zug auf die Beine stellen. Die Themen sind nur gemäßigt politisch.
1861 Nach dem Tod König Friedrich Wilhelm IV. († 2. Februar 1861) herrscht Landestrauer in Preußen, der Rosenmontagszug fällt aus. Der (namentlich nicht bekannte) Held unternimmt mit seinen Anhängern aber am Karnevalssamstag einen Geisterzug durch die Stadt.
1864 Wilhelm Kaulen übernimmt die Comité-Präsidentschaft. Seine Ideen sind zu satirisch und politisch, er wird gezwungen, das Amt niederzulegen. Sein Nachfolger wird im Folgejahr August Wilcke (1823-1913), der 17 Jahre an der Spitze steht.
1870 Obwohl sich die Roten Funken dagegen aussprechen, gehen die neu gegründeten Blauen Funken im Zoch mit. Sie mogeln sich an einer verabredeten Stelle vor den Zug. „Mir han de Spetz“ heißt noch heute ihr Funkenmarsch, und den haben im Rosenmontagszug seitdem traditionell inne.
1873 Das 50. Jubiläum des reformierten Karnevals wird von Schnee und Kälte gedämpft, am Ende     stoppen Schneeverwehungen den Rosenmontagszug.
1882 Die Funktion des Festordnenden Comités wird inzwischen von der „Großen KG“ getragen. Von ihr spaltet sich nun die „Große Kölner KG“ ab. Im Folgejahr gibt es deshalb wieder einmal  zwei Züge. Komitee und Zugleitung verbleiben danach bis 1888 bei der Großen KG.                Anschließend teilen sich die Präsidenten der beiden Gesellschaften, die gemeinsam das neue    „Festordnende Komitee“ bilden, die gemeinsam das neue „Festordnende Komitee“ bilden, bis 1908 die Aufgabe des Komiteerpräsidenten.
1883 Prinz, Bauer und Jungfrau treten erstmals als eine Einheit auf, und der Prinz wird erstmals „Seine Tollität“ genannt.
1889 Dem Karneval droht wegen Anzüglichkeiten und Übergriffen während der tollen Tage immer wieder ein Verbot. Peter Prior, der 1881 die Präsidentschaft der Großen KG übernahm, gibt die Losung aus: „Von Zoten frei die Narretei“ – das wird auch vom Stadtrat unterstützt. Peter Prior macht den Zug zu einem Anziehungspunkt auch für auswärtige Besucher, sorgt andererseits aber für „Zucht und Ordnung“, um die Reputation des Festes nicht zu gefährden.
1902 Erstmals eskortiert die neu gegründete EhrenGarde im Rosenmontagszug Bauer und Jungfrau. Sie nimmt den Platz, den sie seither nicht mehr hergegeben hat, im Handstreich: Eine vorgetäuschte Wagenpanne gibt den Ehrengardisten die Gelegenheit, sich im „Rubbedidupp“ (noch heute der Schlachtruf der Gesellschaft) an der gewünschten Stelle in den Zug einzugliedern.
1903 Eine wahre „Gründungswelle“ von Karnevalsgesellschaften zeigt, wie populär das Fest in der wachsenden Stadt geworden ist: EhrenGarde (1902), Nippeser Bürgerwehr, Große Mülheimer KG und Lövenicher Neustädter (1903), Bürgergarde „blau-gold“ (1904 ) und Prinzen-Garde Köln (1905) sind allesamt heute etablierte Kölner Karnevalsgesellschaften.
1908 Statt einer Doppelspitze wird satzungsgemäß verankert, daß die Komitee-Führung im jährlichen Wechsel bei den Präsidenten der Großen von 1823 und der Großen Kölner liegt. Die Regelung wird bis 1934 Bestand haben.
1914 Am Vorabend des Ersten Weltkriegs zieht der bis dahin größte Zug durch die Stadt: 74 Abteilungen und prachtvolle Wagen werden gefeiert. Danach gibt es 13 lange Jahre lang – von 1915 bis 1927 – keinen Rosenmontagszug mehr. Gründe sind der erste Weltkrieg, die anschließende wirtschaftliche Notlage sowie das spätere Verbot durch die britischen Besatzungsbehörden.
1922 Noch ist der Karneval in der wirtschaftlichen Notzeit verboten, da entwerfen Peter Prior und Carl Umbreidt (der ehemalige und der zukünftige Präsident der Großen KG) sowie Fritz Maaß (künftiger Präsident Große Kölner) die in Grundzügen noch heute gültige Struktur: Jede Kölner Karnevalsgesellschaft hat nun die Möglichkeit, sich dem Komitee anzuschließen, das bis dahin nur von zwei KGs gebildet wurde.
1924 Obwohl Karneval offiziell noch verboten ist, wird das erste Dreigestirn nach dem Ersten Weltkrieg proklamiert.
1925 Der Sitzungskarneval ist wieder erlaubt, Kostüme in der Öffentlichkeit zu tragen bleibt verboten. Da der Rosenmontagszug ebenfalls verboten bleibt, ziehen Prinz, Bauer und Jungfrau erstmals in vollem Ornat in den Karnevalssitzungen auf.
1927 Der erste Rosenmontagszug nach dem Ende des Ersten Weltkriegs wird erst 14 Tage vor Karneval genehmigt, das ist zu kurzfristig für einen regulären Zoch. Doch immerhin werden 29 Gruppen und Wagen bei einer „Kappenfahrt“ präsentiert. Zudem gibt es etwa 760 Karnevalsveranstaltungen, davon alleine 600 Maskenbälle.
1929 Erstmals werden die Wagen des Rosenmontagszuges zentral in einer Halle der Kölner Messe gebaut. Durch die Einführung der elektrischen Straßenbahn ist die Höhe der Aufbauten nun auf 4,80 m begrenzt – deutlich niedriger als zuvor.
1933 Im Jahr der NS-Machtergreifung (und zuvor) haben Karnevalisten keine Berührungsängste oder bekennen sich offen zur NS-Idologie. Nach zweijähriger Pause (Weltwirtschaftskrise) gibt es wieder einen Rosenmontagszug – auch dank Oberbürgermeister Konrad Adenauer, der für einen städtischen Zuschuss sorgt.
1934 Das „Festordnende Komitee“ wird im Zuge der NS-Machtergreifung aufgelöst. Die großen KGs leisten Wiederstand, die Präsidenten verkünden, daß die Vereine ohne organisatorisches Mitbestimmungsrecht nicht mehr am Karneval teilnehmen werden („Narrenaufstand“). Als Kompromiss wird das Komitee durch einen verkleinerten „Festausschuss“ ersetzt. Später wird dies als Wiederstand gegen den Nationalsozialismus dargestellt – in Wahrheit geht es wohl eher um die Wahrung eigener Pfründe.
1935 Thomas Liessem tritt als Präsident der Prinzen-Garde Köln (im Amt 1929-1963) an die Spitze des Festausschusses. Mit ihm endet die wechselnde Präsidentschaft zwischen Großer KG und Großer Kölner. Er wird den Festausschuss beziehungsweise das Komitee durch die gesamte NS- und Kriegszeit hindurch leiten.
1936 An Weiberfastnacht (20. Februar 1936) wird in der Kölner Messe erstmals eine feierliche Prinzenproklamation zelebriert.
1937 Die KDF-Organisation scheitert beim Versuch, die organisatorische, künstlerische und finanzielle Ausgestaltung des Karnevals endgültig zu übernehmen. Den Karnevalisten kommt dabei der Zufall zur Hilfe, denn der in Ungnade gefallene Oberbürgermeister gewährt kurz bevor er Abtritt einen großen Finanzzuschuss, der zwar nicht in voller Höhe ausgezahlt wird, aber den Karneval absichert.
1938 Ein sichtbares Zeichen der NS-Vereinnahmung des Karnevals ist der Bruch mit dem zu diesem Zeitpunkt bereits über 100 Jahre alten Brauch, karnevalistische Frauenrollen durch Männer darzustellen – als Konzession an die Homophobie der NS-Ideologie gibt es schon zuvor nur weibliche Mariechen und nun auch eine weibliche Jungfrau. Das bleibt auch im letzten Vorkriegs-Karneval 1939 so.
1947 Ein Jahr vor dem 125. Jubiläum des organisierten Karnevals wird am 17. Januar 1947 der Festausschuss des Kölner Karnevals wieder gegründet. Die Vertreter von 25 Mitgliedsgesellschaften wählen Albrecht Bodde zum Präsidenten, in dessen Vorstand zum Beispiel auch Karl Berbuer und Jean Küster mitwirken.
1949 Der erste Nachkriegs-Zug ist eine „Erweiterte Kappenfahrt“, Zugleiter ist der ehemalige und künftige FK-Präsident Thomas Liessem. Zwölf Wagen und ein paar Kamelle gibt es – letztere von Stollwerck mit einer Extrazuteilung Zucker produziert. Am 11. im 11. versammeln sich einige Karnevalisten in Gedenken an Willi Ostermann: Die Geburtsstunde der Sessionseröffnungen. Herbert Limbach, späterer Präsident der KG Greesberger veranstaltet gemeinsam mit der Kölnischen Rundschau den ersten „Hausfrauennachmittag“ – die Geburtsstunde der Mädchensitzungen.
1950 Gründung des „Literarischen Komitees“ zur Förderung des Musik- und Redner-Nachwuchses. Erster Veedelszoch nach dem Krieg.
1951 Bislang zogen nur Pferde die Wagen im Zoch, doch diesmal wird vor einen Prunkwagen erstmals ein Traktor vorgespannt. 1952 sind es bereits die Hälfte der Wagen, ab 1954 werden alle Festwagen von Traktoren gezogen.
1952 Erstmals gehen am Karnevalssonntag die Schull- und Veedelszöch als gemeinsamer Zug.
1954 Der „Festausschuss“ wird in „Festkomitee des Kölner Karnevals von 1823 e.V.“ umbenannt. Gründung des „Großen Senats“ des FK als finanzkräftiges Unterstützergremium.
1963 Zum neuen Festkomitee-Präsidenten wird Ferdi Leisten, der dieses Amt elf Jahre lang – bis 1973 – ausüben wird. Im ersten Jahr als Präsident beginnt Ferdie Leisten mit der Einrichtung eines Archivs.
1965 Erstmals zieht der Rosenmontagszug durch die verwinkelte Altstadt, anstatt wie zuvor über die Ringe. Ebenfalls neu: Das erste Kinderdreigestirn wird proklamiert.
1973 Zahlreiche Details machen das 150. FK-Jubiläum zu einem rauschenden Fest. Die Stadt Köln spendet die noch heute genutzten beleuchteten Straßendekorationen. Ein Sternmarsch führt Karnevalisten aus allen Richtungen zum Rathausplatz, ein Feuerwerk zieht hunderttausende Besucher an. Auch die Roten Funken und Die Große von 1823 begehen ihre Jubiläen.
1982 Ralf Bernd Assenmacher wechselt vom Amt des Zugleiters ins Präsidentenamt des FK. Er hatte bereits als Zugleiter mit der Zulassung von Frauen Reformwillen gezeigt und gründete einen Juniorenkreis im FK.
1987 Rolf Bernd Assenmachers Nachfolger wird Rudi Hermann. Er setzt weiter auf Jugendförderung und gründet außerdem die „Wirtschaftsdienst des Kölner Karnevals GmbH“, die steuerliche Vorteile und eine bessere Vermarktung des Karnevals verspricht.
1989 Mit Gisbert Brovot wird der Prinz von 1969 zum Festkomitee-Präsidenten gewählt. Er wird in vielen Punkten für neuen Wind sorgen – so etwa durch die erstmalige Berufung weiblicher Vorstandsmitglieder (1990) oder eine McKinsey-Studie zu Image Wirtschaftskraft des Karnevals (1993).
1991 Der ab Januar tobende zweite Golfkrieg bewegt die Präsidenten der FK-Gesellschaften zum Verzicht auf öffentliche Veranstaltungen, der Rosenmontagszug wird aber abgesagt. Spontan formieren sich aber mehrere kleine Züge, die im Folgejahr dazu führen, daß am Karnevalssamstag die alte Tradition des Geisterzugs neu belebt wird.
1994 FK-Präsident Gisbert Brovot besucht die Stunksitzung – und trägt dabei seine offizielle Präsidenten-„Mötz“. Konservative Karnevalisten – darunter auch seine beiden Vizepräsidenten – entfachen einen Sturm der Entrüstung, der den ohnehin in der Kritik stehenden Gisbert Brovot nach dem Ende der Session zum Amtsverzicht bewegt. Sein Nachfolger wird Hans-Horst Engels.
1996 Das Festkomitee feiert 175 Jahre reformierten Karneval mit einer Reihe von Veranstaltungen, Ausstellungen und einer Buchveröffentlichung. Der aus diesem Anlaß veranstaltete Sternmarsch der Veedelsvereine wird in den Folgejahren zu einer festen Einrichtung.
1999 Einweihung der neuen Räumlichkeiten des Festkomitees am Maarweg, die erstmals Büros, Sitzungsräume, Zugleitung, Wagenbauer, Eventhalle und Karnevalsmuseum an einem zentralen Ort vereinen.
2000 Nach fast 30 Jahren ändert der Zug seine Richtung und geht vom Severinsviertel bis Sankt Gereon – eine Folge des Umzugs an den Maarweg.
2005 Doppelter Generationswechsel im Festkomitee: Nach über 11jähriger Amtszeit übergibt Hans-Horst Engels die Präsidentschaft im Festkomitee an Markus Ritterbach, neuer Zugleiter wird Christoph Kuckelkorn. Beide arbeiten an der überfälligen Modernisierung und Professionalisierung von Festkomitee und Rosenmontagszug.
2007 Am Tag vor der Prinzenproklamation findet erstmals eine „Kölsche Messe“ im Dom statt.
2010 Nach dem Einsturz des Stadtarchivs muß der Zugweg geändert werden und führt erstmals über die bis heute übliche Route durch das Veedel zwischen St. Georg und St. Maria Lyskirchen.
2012 Prinz Marcus II. ist der erste offen homosexuelle Narrenherrscher. Der Zugweg wird erweitert und führt erstmals durch Hahnentorburg und über den Hohenzollernring.
2014 Am 13. Dezember 2014 wird der rheinische Karneval in das nationale Verzeichnis des „immateriellen Kulturerbes“ aufgenommen.
2015 Historiker legen im Festkomitee-Auftrag die umfassende Studie „Alaaf unterm Hakenkreuz“ auf – eine längst überfällige Aufarbeitung der NS-Historie des Karnevals.
2019 Erstmals seit 1955 kommen die Angehörigen des Dreigestirns aus drei verschiedenen Karnevalsgesellschaften.
2021 Die Corona-Pandemie erzwingt die Streichung des Sitzungs- und Straßenkarnevals, der Fastelovend muß sich neu erfinden. Dazu gehört die Verlegung der Sessionseröffnung in ein WDR-Fernsehstudio. Statt eines Rosenmontagszugs produziert der WDR mit dem Festkomitee und dem Hänneschen-Theater einen liebevoll inszenierten Puppen-Zug für die Fernseh-Ausstrahlung.
2022 Statt eines Rosenmontagszugs in der Kölner Innenstadt soll es wegen der anhaltenden Pandemie ein Rosenmontagsfest im RheinEnergieStadion geben. Der Überfall russischer Truppen auf die Ukraine führt jedoch dazu, daß auch diese Alternative abgesagt wird. Der Zug wird spontan zu einer Friedensdemonstration mit über 250.000 Teilnehmern umfunktioniert.