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Altstädter-Tanzkorps 95 Jahre jung: „Uns zor Freud un Üch zo Ihr!“

„Uns zor Freud un Üch zo Ihr!“, so lautete bereits die Überschrift des Beitrages anläßlich des 90. Geburtstages des traditionsreichen Tanzkorps der Altstädter Köln 1922 eV in der Ausgabe des Sessionsbuches 2014. Auch wenn es kein runder ist und es bis zum großen, dem 100jährigen Geburtstag noch ein paar Jährchen sind, sollte man dennoch die vergangenen 95 Jahre in einer kurzen Zusammenfassung Revue passieren lassen.

Es sei daran erinnert, daß sich Deutschland damals nach dem Ende des Kaiserreiches von 1918 bis 1933 in der Epoche der sogenannten Weimarer Republik (zeitgenössisch auch Deutsche Republik) befand. Ein Zeitabschnitt, in dem erstmals eine parlamentarische Demokratie in Deutschland bestand. Eine Zeit, die für alle Menschen Veränderungen und Neuerungen mit sich brachte.

Es war das Jahr 1924, als die Stunde des grün-roten Tanzkorps schlug. Eine für Köln, die Kölner Bürger und nicht zuletzt für die Karnevalisten bewegte und bewegende Zeit mit zahlreichen Ereignissen.

So feierte „Krätzchensmächer“ und Sänger Willi Ostermann sein 25jähriges Bühnenjubiläum. Der „Decke Pitter“, die Sankt Petersglocke des Kölner Doms, wurde geweiht. Der Rohbau für Europas seinerzeit höchsten „Wolkenkratzer“ am Hansaring wurde fertiggestellt. Und nicht zuletzt war der Kölner Erzbischof Karl Josef Kardinal Schulte über das närrische Treiben schmerzlich berührt und bezeichnete das vaterstädtische Fest wie folgt: „Alles in allem ist der Karneval eine Karikatur von abstoßender Hässlichkeit…“ Die Sympathien der feierfreudigen Kölner hatte er damit verspielt.

1922 – das Gründungsjahr der Karnevalsgesellschaft „Fidele Altstädter“, heute „Altstädter Köln 1922 e.V.“, fiel vier Jahre nach Ende des 1. Weltkrieges in eine Zeit von vielfältigen Bestrebungen, auch den Karneval wieder aufleben zu lassen. Dieser war seit 10 Jahren unter dem Ernst der Lebensnot, im wahrsten Sinne des Wortes, zu Grabe getragen worden. Mit viel Einsatz und Elan waren so auch die Gründungsmitglieder um ihren ersten Altstädter-Präsidenten Servatius Jussenhoven bei der Sache und setzten zwei Jahre nach der Vereinsgründung im Jahr 1924 den Gedanken um, ein uniformiertes Tanzkorps ins Leben zu rufen. Der Name „Fidele Altstädter“ war somit auch gleich Programm. Zur Feier des 11.im 11.1924 wurde die erste schmucke, grün-rote Korpsuniform, getragen von Toni Preußer, der Öffentlichkeit präsentiert.

Das erste Tanzpaar waren die (männliche) Marie Jean Küster und Tanzoffizier Gottfried Schmitz (Foto) und erster Kommandant wurde Hans Fabritius (unteres Bild). Übrigens ein Kommandant, dem das leibliche Wohl seiner Korpskameraden stets sehr am Herzen lag. Er hatte als „Oberst Fusel“, wie er auch genannt wurde, die Angewohnheit, etwas „Hochprozentiges“ zu den Auftritten mitzubringen. Wenn er jedoch die „geistige Nahrung“ einmal vergessen hatte, erinnerte ihn sein Korps auf der Bühne an seine Nachlässigkeit und setzte zu den Klängen des Korpstanzes folgenden Gesang ein:

 

„Fabritius, wo sin dann ding Schabäucher,

wievill häste do uns dann metjebraht?

Fabritius, wo sin dann ding Schabäucher,

denk jood an ding Korps, et weed en lange Naach!“

 

Das Singen während des Tanzes ist eine schöne Tradition, die bis heute Bestand hat.

Weitere gute Ideen kamen damals auf und wurden umgesetzt. Das „Hannemannsche-Trompeten-Korps“ wurde unter Leitung von Fritz Hannemann, der auch den Altstädter-Marsch komponierte, als Regimentsmusikkorps verpflichtet. Albrecht Bodde textete den „Fidele Altstädter-Marsch“, die Musik dazu komponierte Heinrich Frantzen. Franz Engelskirchen komponierte den ersten Korpstanz. Den Text zum Mariechentanz „Die Hüsjer bunt om Aldermaat“ schrieb Jupp Schlösser, und Dr. Gerhard Jussenhoven, Sohn des ersten Altstädter-Präsidenten Servatius Jussenhoven, komponierte die Melodie dazu. Bereits in der folgenden Session 1925 absolvierte das stolze grün-rote Korps 40 Auftritte im Kölner Karneval. Die Altstädter waren auf dem richtigen Weg und konnten sich bereits ab 1926 zum Kreis der bedeutenden Kölner Karnevalsgesellschaften zählen.

Ab 1928 erstrahlte das Tanzkorps in neuem Glanz. Die Tänzer erhielten, anders als die Offiziere mit ihren Dreispitzhüten und Federstutzen, von nun an die auf Hochglanz polierten Goldhelme (aus Messing) mit einem sogenannten Piddel auf deren Spitze. Eine bis zum heutigen Tage unveränderte Ausstattung, die bei allen Auftritten des Korps zu den Farben Grün und Rot ein prächtiges Gesamtbild ergibt.

Die politischen Veränderungen der 1930er Jahre brachten auch Veränderungen für den Karneval in Köln mit sich. Die Kölner Jungfrauen im Dreigestirn waren in den Jahren 1938 und 1939 mit Paula Zapf und Else Horion weiblich. So war es dann ab 1936 üblich, daß auch die Tanzmariechen nicht mehr von Männern dargestellt wurden. Nur noch wenige Jahre des aktiven Karnevals und dessen Aufbaus folgten. Auch das Altstädter Korps war beim mit über einer Million Zuschauern bis dahin sehr erfolgreichen Rosenmontagszug 1939 unter dem Motto „Singendes, klingendes, lachendes Köln“ noch mit dabei.

Danach war erst einmal Stillstand angesagt. Der 2. Weltkrieg forderte unzählige Opfer und so kamen auch Altstädter-Kameraden nicht mehr in ihr geliebtes Köln zurück. Bis auf wenige Ausnahmen wurden die Kammerbestände, das umfangreiche Altstädter-Archiv und nahezu alle Unterlagen in den Bombennächten vernichtet. Einige Altstädter um Heinrich Nüllen und Präsident Servatius Jussenhoven suchten die Adressen ihrer früheren Kameraden, um wieder Kontakt aufzunehmen. Der Wiederaufbau begann. Erstes Tanzpaar ab 1947 wurden Lilly Ortmann und Hubert Knott. Präsident wurde Fritz Figge, der den englischen Stadtkommandanten besuchte, um die Wiederzulassung der Knabüs (Knallbüchse), des hölzernen Zabel (Säbel aus Holz) sowie der grün-roten Uniform zu erwirken. Was schließlich im Januar 1949 auch gelang:

Das Altstädter-Korps war bei der „Kappenfahrt 1949“, dem ersten offiziellen Rosenmontagszug nach dem Krieg unter dem Motto: „Mir sin widder do un dun wat mer künne!“, wieder mit dabei. Die Teilnahme des Korps an den Rosenmontagszügen wurde von nun an zur Selbstverständlichkeit.

Das Tanzkorps entwickelte sich sehr gut und bereits 1952 war man mit 63 Auftritten ein gern gesehener Gast auf den Veranstaltungen. Ab 1953 veranstalteten und eröffneten die Altstädter mit dem Aufzug des Korps, gemeinsam mit dem Kölner Oberbürgermeister samt Dreigestirn, den Straßenkarneval auf dem Alter Markt. Auch die Kleiderkammer füllte sich wieder von Jahr zu Jahr und erreicht 1956 mit 109 Uniformen eine stattliche Zahl.

Zur Session 1961 stellte Präsident Fritz Figge das neue Tanzpaar Gerdemie Pütz und Karl-Heinz Basseng vor. Die beiden, die auch etwas später im wirklichen Leben ein Paar wurden, revolutionierten ab 1960 den Korpstanz im Kölner Karneval. Erste Hebefiguren und eine ganz neue Choreografie, alles gemeinsam geschaffen von Ballettmeister Peter Schnitzler und dessen Ehefrau Hilde. 1967 zog das Korps erstmalig bei der Kölner Prinzenproklamation auf. Bei der Proklamation 1968 löst der Mariechentanz der Altstädter eine in dieser Form nicht erwartete Begeisterung beim Publikum aus. Nach dreimaligem Da capo schlug Festkomitee-Präsident Ferdi Leisten, unter dem Beifall der Präsidenten der Traditionskorps (Kölsche Funke rut-wieß, Kölner Funken Artillerie blau weiss, EhrenGarde der Stadt Köln und Prinzen Garde Köln), die Altstädter zum (5.) Traditionskorps des Kölner Karnevals vor. Einen Monat später beschlossen und bestätigten die Präsidenten der Traditionskorps den Vorschlag von Ferdi Leisten.

„Altstädter opjepass“, ein Kommando, wenn nicht das Kommando überhaupt, bei dem jeder Altstädter auf der Bühne weiß: „Et jeht loss!“ Gerade Reihen bilden, den Blick nach vorne in Richtung Publikum gerichtet, Tanzpaar, Goldhelmträger, Musiker, Offiziere des Senates, des Reiterkorps, des Großen Rats und des Reservekorps zum Präsentieren in Position und die Tänze folgen sodann. In all den Jahren ein gleich gebliebenes Zeremoniell, welches wohl auch nie aus der Mode kommen wird. Denn, das ist die Tradition, die auch nach dem einzigartigen Altstädter-Motto „Am guten Alten in Treue halten!“ von jedem Altstädter gepflegt und gelebt wird. Es waren viele Korpskameraden, die vor und in den Jahren nach dem 2. Weltkrieg das Korps in verantwortungsvollen Positionen mitprägten.

Neben Karl-Heinz Basseng (Biername „Kallendresser“), der 13 Jahre als Tanzoffizier, dann 25 Jahre als Korpskommandant und später als Präsident die Gesellschaft erfolgreich führte, sind Helmut Reuter („Blos“), der insgesamt 28 Jahre als Korpsspieß tätig war, sowie Tanzkorps-Ehrenkommandant Manfred Bovenkerk („Krankesching“), der auf 30 Jahre Vorstandsarbeit zurückblicken kann, und nicht zuletzt Regimentskoch Erich Flender („Kochlöffel“), der dieses schöne Amt 33 Jahre lang innehatte, Kameraden, denen die schöne Korpsgemeinschaft der Altstädter vieles zu verdanken hat.

„Met Trööte un Trumme, Altstädter kumme …“, so heißt es seit Jahrzehnten, wenn das grün-rote Korps aufzieht. Ob bei den Bühnenauftritten oder mit gleich mehreren Kapellen, welche die verschiedenen Altstädter-Gruppen im Rosenmontagszug alljährlich begleiten, die richtige Musik gehört stets dazu. Eine davon ist die Altstädter-Regimentskapelle, das Musik-Corps Köln-Flittard 1970 e.V. Seit 1994 und in dieser Session seit nunmehr 25 Jahren begleiten sie die Altstädter und auch je nach Saal- und Bühnengröße das Tanzkorps, zusätzlich zum Altstädter eigenen Regimentsspielmannszug, bei ihren Auftritten. Und das ist eine Besonderheit beim Korps der Altstädter, der eigene Spielmannszug. Entstanden war dieser im Jahr 2010 nach der Trennung von dem seit über sechs Jahrzehnten verpflichteten Spielmannszug „In Treue fest 1919 e.V.“.

Im engen Dialog zwischen Altstädter-Vorstand und Tanzkorpsführung wurden kurzfristig die Weichen für einen neuen und eigenen Regimentsspielmannszug gestellt. Mit ehemaligen „In Treue fest“-Spielleuten, mit musikalisch bewanderten Vätern und Söhnen aus den Altstädter-Reihen sowie mit motivierten ehemaligen Spielleuten anderer Spielmannszüge formierte sich in nur vier Monaten eine tolle Truppe. Es war eine Herausforderung der besonderen Art. Die Beschaffung von Musikinstrumenten und die Einkleidung der Spielleute war dabei noch geradezu eine Leichtigkeit. Schwieriger war da schon die Umsetzung im musikalischen Bereich.

Aber auch dort war man mit Tanzkorpskamerad Bernhard Röttgers („Waggelknee“) als neuem Tambourmajor gut aufgestellt. Offiziell vorgestellt wurde der Regimentsspielmannszug beim Korpsappell im Januar 2011. Seit der Session 2018 steht der Regimentsspielmannszug unter Leitung von Oliver Röttgers („Naaksühl“), der die Arbeit seines Vaters erfolgreich fortführt.

Neuerungen und Veränderungen sind Dinge, die auch ein Traditionskorps stets begleiten und seine Attraktivität damit nicht mindern. Neue Tanzpaare folgen und auch neue Korpskameraden kommen jährlich hinzu.

So auch Hans Kölschbach („Knallbotz vum Aldermaat“), der durch Freunde und langjährige Altstädter-Kameraden 1994 seinen Weg zum grün-roten Korps fand. Erst als Tänzer und Goldhelmträger, wurde er 2002 Korpskommandant und steht der Gesellschaft seit 2004 bis heute als Präsident vor. So ganz nebenbei schlüpfte er in der Session 2001 noch in die Rolle der Kölner „Jungfrau Hansi“.

Insgesamt 25 Tanzpaare waren bisher für die Altstädter „im Dienst“ und haben mit ihrem Können das Publikum begeistert. So auch aktuell Carina Stelzmann („Cremche“) und Philipp Bertram („Pill“) in ihrer zweiten Session. Als Tanzpaar sind sie wieder einmal würdige Nachfolger ihrer Vorgänger, wußten gleich in ihrer ersten Session mit Leistung und Können zu überzeugen und bleiben hoffentlich noch einige Jahre dem Publikum und der grün-roten Korpsgemeinschaft erhalten.

Seit der Session 2013 sind Michael Klaas („Piccolo“) als Korpskommandant und Guido Bräuning („Iggel“) als Korpsspieß im Amt und führen das grün-rote Tanzkorps mit Erfolg an.

Mit Tanzpaar, Tanzkorps, Regimentsspielmannszug und den heute in Führungsaufgaben verantwortlichen Korpskameraden ist das Schiff „Altstädter-Tanzkorps“ auf einem guten Kurs und garantiert noch viele Jahre eine respektvolle Fortsetzung der in nunmehr über neun Jahrzehnten gelebten und gepflegten grün-roten Tradition.

Die Zeilen dieses Beitrages geben nur eine kleine Zusammenfassung der vergangenen 95 Jahre des so stolzen Altstädter-Tanzkorps wieder. Zahlreiche im Text nicht genannte Mitglieder haben in den über neun Jahrzehnten mit ihrer Mitarbeit und den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln die Altstädter im Allgemeinen und ihr Tanzkorps unterstützt und somit einen großen Beitrag zu dem geleistet, was das Korps heute ist. Ihr Wirken war und ist geprägt von Ideen, Visionen und Einsatzbereitschaft, die letztendlich die erlangten Erfolge ausmachen. Der 95. Geburtstag des Tanzkorps fällt in eine Zeit, in der auch, wie im Jahr 1924, die Menschen von Problemen und Entwicklungen bewegt sind und werden.

Willi Ostermann sagte einmal: „Der Karneval ist schön – aber er braucht Männer, Gönner und Könner.“

In diesem Sinne gilt damals wie heute: „Uns zor Freud un Üch zo Ihr!“

Quelle und Fotos: Altstädter Köln 29122 e.V.